In der letzten Nacht konnte das kleine Herz kaum schlafen, denn es war sehr aufgeregt. Klar lebt es seit fast zwei Jahren in der Wohnung der Menschen, aber bisher hat es noch nie überlegt, wie es das Leben der Menschen beeinflussen kann. Und dieses Gefühl ist überwältigend und sehr spannend. Daher weckt das kleine Herz seine Eltern schon vor dem Weckerklingeln der Menschen. „Was ist denn los, kleines Herz?“, fragt Papa Herz noch ganz verschlafen. „Ich bin so aufgeregt und möchte heute nichts verpassen beim Beobachten der Menschen“, sagt das kleine Herz. „Da an weiterschlafen nicht zu denken ist, würde ich vorschlagen, dass wir uns schon mal in die Küche schleichen“, schlägt Mama Herz vor.

Familie Herz schleicht die Treppe herunter und das kleine Herz bekommt ganz große Augen. „Seht mal! Gestern Abend hat die Mama tatsächlich noch für jeden den Adventskalender am Treppengeländer aufgehängt! Die selbstgehäkelten Söckchen sind alle gefüllt. Das sieht so schön aus! Da wird mir richtig warm ums Herz“, freut sich das kleine Herz. „Da werden sich die Kinder sicher sehr freuen“, meint Papa Herz. „Vielleicht sollten wir uns erst im Esszimmer aufhalten, denn dort werden ja gleich die Söckchen geöffnet“, schlägt Mama Herz vor. „Das ist eine gute Idee“, sagt das kleine Herz und wartet gespannt auf die Kinder.

Sie müssen gar nicht lange warten, da hören sie in der oberen Etage das tippeln und flüstern von Füßen. Das kleine Herz freut sich: „Gleich geht es los. Ich höre die Kinder. Sie werden gleich die Treppe runter kommen.“ Kaum war der Satz ausgesprochen, knarrten die Holzstufen unter den Füßen von Marco, Lukas und Ida. „Wow, seht mal, Jungs! Da hängt der Adventskalender!“, ruft Ida glücklich. „Ja klar, warum sollte er auch nicht dort hängen?“, meint Lukas. „Heute ist doch der 1. Dezember.“ „Lass sie doch! In dem Alter hast du dich doch auch noch sehr über den Adventskalender gefreut“, sagt Marco. „Freut ihr euch etwa nicht?“, fragt Ida überrascht. „Doch, aber der gehört doch zur Adventszeit dazu“, entgegnet Lukas.

Neugierig schauen die drei Kinder in ihr erstes Söckchen. Marco hat seins zuerst geöffnet. „Cool, ich habe zwei Fußballkarten bekommen. Und die fehlen mir sogar noch in meiner Sammlung! Aber leider keine von Dortmund – dabei sind das doch meine Lieblingsspieler“, sagt er. Nun hat Lukas sein Geschenk auch aus dem Söckchen gezogen. „Seht mal, das gehört zu dem Adventskalender von Woozle Goozle!“, freut er sich. „Das wolltest du doch haben!“, freut sich Ida für ihren Bruder. „Ja genau. Aber was macht man damit?“, fragt Lukas. „Auf dem Tisch liegt noch ein Buch dazu“, entdeckt Marco. „Auf Lesen habe ich jetzt aber gar keine Lust“, sagt Lukas und legt das Teilchen zu dem Buch auf den Esszimmertisch, genau neben Familie Herz. Das kleine Herz ist verwundert. Warum mag Lukas sich das jetzt nicht ansehen, wenn er es sich so sehr gewünscht hat?

Jetzt schaut Ida noch in ihr Söckchen und strahlt über das ganze Gesicht. „Wow, eine Haarspange von Anna und Elsa. Die ist aber schön! So eine habe ich mir schon immer gewünscht“, ruft sie und läuft direkt in das Badezimmer, um sich die Haare zu bürsten und die Spange ins Haar zu stecken. Die beiden Jungs gehen ins Wohnzimmer und spielen mit ihren Smartphones.

Das kleine Herz findet die Reaktionen der Jungen traurig. „Die Mutter hat sich so viel Mühe gegeben und genau zugehört, was die Kinder gerne hätten. Aber das scheint gar nicht richtig wahrgenommen worden zu sein“, fasst es seine Gefühle in Worte. „Da hast du recht. Immerhin hat sich Ida wahnsinnig über ihr kleines Geschenk gefreut“, erinnert Mama Herz. „Das stimmt, für sie scheint der Adventskalender noch etwas besonderes zu sein. Sie war sehr aufgeregt und hatte dieses Leuchten in den Augen, welches Marco und Lukas im letzten Jahr auch noch hatten“, sagt Papa Herz. „Aber wieso haben die Jungen das jetzt nicht mehr?“, wundert sich das kleine Herz. „Für die beiden ist es selbstverständlich geworden, das zu bekommen, was sie sich wünschen. Ihre Mutter ist immer sehr aufmerksam und schafft es oft, das Passende zu finden. Aber dafür bekommt sie kein Dankeschön, eben weil es für die Kinder fast normal geworden ist“, meint Mama Herz.

In dem Moment kommt Ida mit der Spange im Haar zurück und lächelt glücklich. „Marco, Lukas! Seht mal, wie ich aussehe!“, ruft sie. Die beiden spielen jedoch so intensiv mit dem Smartphone, das sie gar nicht reagieren. „Marco, Lukas! Jetzt schaut doch mal!“, ruft Ida erneut. „Ja, sieht schön aus“, erwidert Lukas ohne von seinem Spiel aufzusehen. Ida ist enttäuscht und geht nach oben zu den Eltern. Familie Herz kann hören, wie Ida weinend sagt: „Mama, Papa! Ich habe so eine tolle Haarspange in meinem Söckchen gehabt. Seht mal, ich habe sie schon in mein Haar gesteckt. Aber die Jungs schauen nicht mal von ihren Smartphones hoch.“ Der Vater erwidert: „Ach Ida. Du weißt doch, wie konzentriert die beiden immer spielen. Sie haben es bestimmt einfach nicht mitbekommen. Aber zeig mir doch mal deine Haarspange. Ich würde sie gerne sehen.“ Ida macht das Licht an und zeigt ihr kleines Geschenk. „Die sieht aber schön aus. Sind das Anna und Elsa?“, fragt der Vater. „Ja, das sind Anna und Elsa“, entgegnet Ida. „Möchtest du noch ein bisschen mit uns kuscheln?“, fragt die Mutter. „Nein, ich werde jetzt den Jungs beim spielen zusehen“, erwidert Ida und geht wieder die Treppe hinunter.

Familie Herz kann noch hören, wie die Mutter sagt: „Es macht mir gar keinen Spaß mehr mir schöne Sachen zu überlegen. Die Kinder sollen sich über die kleinen Geschenke freuen, aber sie interessieren sich nur für ihre Smartphones. Das Wort „Danke“ scheinen sie gar nicht mehr zu kennen – alles ist selbstverständlich.“ Das kleine Herz muss fast weinen, als es diese Worte hört. „Ich kann gut verstehen, wie sich die Mutter jetzt fühlt. Sie möchte ihrer Familie eine Freude machen und erntet dafür keinen Dank. Im Gegenteil, sie bekommt Gleichgültigkeit zu spüren. Wie kann man das ändern?“, fragt es seine Eltern. „Wir müssen den Kindern irgendwie deutlich machen, dass eben nicht alles selbstverständlich ist. Und das es wichtig ist, den andern zu zeigen, dass man sich über etwas freut“, meint Papa Herz. „Natürlich müssen sie nicht jeden Morgen „Danke“ sagen, wenn sie in ihren Adventskalender gesehen haben, aber ein bißchen mehr Freude könnten Sie schon zeigen“, ergänzt Mama Herz. „Aber wie können wir den Menschen zeigen, wie das geht?“, fragt das kleine Herz. „Ich kann mich ja schlecht vor die Kinder stellen und ihnen sagen, dass sie mehr Dankbarkeit zeigen sollen!“ „Vielleicht können wir den Kindern im Schlaf Nachrichten überbringen? Das wir für Sie eine Art Traum sind?“, überlegt Papa Herz. „Oh ja! Das wäre mein erster richtiger Kontakt mit den Menschen!“, jubelt das kleine Herz. „Dann lasst uns mal gemeinsam überlegen, wie wir diese Nachrichten am besten überbringen können … heute Nacht werden wir den Plan dann umsetzen“, schlägt Mama Herz vor.