Die gelbe Tür

„Ich konnte heute Nacht vor lauter Aufregung kaum schlafen“, sagt Marco. „Was meinte Wichti damit, dass er sich sehr freuen würde, wenn wir in ein Haus mit Sport kommen?“ „Vielleicht liebt er den Sport auch so, wie du?“, überlegt Lukas. „Das kann natürlich gut sein“, entgegnet Marco. Während dieser Überlegungen stürmt Ida in das Zimmer ihrer Brüder. „Ihr seid ja auch schon wach. Seid ihr auch so aufgeregt wie ich?“, fragt sie. „Mindestens …“, sagt Lukas. „Dann nichts wie los“, fordert Ida die beiden Jungs auf.

Nepomuk und Heinzi hatten einen langen Arbeitstag und liegen deswegen noch friedlich schlafend in ihrem Bett. Sie werden unsanft geweckt, als die Tür zum Spielzimmer aufgestoßen wird. „Was ist denn los?“, gähnt Heinzi verschlafen. „Wir möchten gerne zum Weihnachtsdorf! Schließlich muss Marco noch als einziger von uns in sein viertes Söckchen gucken. Und dort ist bestimmt sein Herzenswunsch drin!“, erklärt Ida die Aufregung. „Ich verstehe. Also müssen wir uns mit dem Aufstehen beeilen“, sagt Nepomuk lächelnd.

 

Marco geht zu seinem gelb-orangenen Advents-Söckchen, während die anderen ihm gespannt zusehen. Schnell öffnet er die Schleife und anschließend reißt er voller Neugierde das Geschenkpapier von seinem Päckchen. Es kommt ein schwarz-gelber Fußball zum Vorschein. Marco strahlt über sein ganzes Gesicht. „Ich hatte gehofft, dass es ein Fußball wird! Und dann die Farben! Das wird mein Glückstag!“, ruft er fröhlich. „Sollen wir uns direkt auf den Weg machen?“, fragt Lukas. „Oh ja, ich kann es kaum mehr erwarten!“, sagt Marco.

 

„Heute seid ihr wieder in meiner Tasche!“, freut sich Lukas und geht in die Knie, damit seine kleinen Freunde in seine Jackentasche klettern können. „Ich nehme den Schlüssel. Würdest du dann noch die Lokomotive nehmen, Lukas? Denn Marco hat ja nur Augen für seinen Ball“, schmunzelt Ida. So machen sich die fünf Freunde gespannt auf den Weg zum magischen Baumstamm. Wie so oft in den letzten Tagen steckt Ida den alten Schlüssel in das Schlüsselloch und dreht ihn gemeinsam mit Marco, Lukas, Heinzi und Nepomuk um. Die Sternschnuppe lässt die Kinder auf Wichtelgröße schrumpfen. „Das fühlt sich jedes mal ganz besonders an“, sagt Lukas. „Ja, es ist wirklich ein Weihnachtswunder“, fügt Marco hinzu. „Und jetzt geht’s ab auf die Rutsche! Wer als erstes unten ist!“, ruft Heinzi übermütig. Das lässt Marco sich heute nicht zweimal sagen und springt als erstes auf die Rutschbahn. Die anderen folgen nacheinander.

 

„So wie es aussieht, sind wir heute früher als sonst“, sagt Ida verwundert. „Der Zug ist noch gar nicht hier.“ „Wenn man so um die Wette rutscht, geht es eben noch schneller, als sonst“, sagt Nepomuk. Nach und nach rutschen auch andere Wichtel in die große Höhle. „Da hinten sehe ich die Lichter vom Zug. Gleich geht es weiter!“, ruft Marco. Der Zug kommt näher und hält mit zischenden Lauten vor ihnen.

 

Die Kinder steigen ein. Wichtlinchen möchte heute die Fahrkarten sehen. „Hallo Kinder! Schön euch zu sehen! Habt ihr den Tag im Puppen-Paradies gut überstanden?“, möchte sie wissen. „Und wie! Zu Hause haben wir eine Art Puppenhaus aus Legosteinen nachgebaut. Es hat sich gut in unsere Weihnachtswelt eingefügt“, erzählt Ida stolz, die sich sehr freut, dass die Wichtelfrau heute im Zug ist. „Das klingt ja fantastisch! Das würde ich mir gerne einmal ansehen!“, erwidert Wichtlinchen. „Wir würden uns freuen!“, sagt Lukas. „Und was hattet ihr heute in dem Advents-Söckchen?“, möchte Wichtlinchen wissen. Marco zeigt ihr seinen schwarz-gelben Fußball. „Diesen schönen Ball habe ich heute ausgepackt“, sagt er stolz. „Der sieht ja schön aus! Ich wünsche euch einen wunderschönen Tag, Kinder!“, sagt die Wichtelfrau. „Wo Wichti heute wohl ist? Ich hatte gedacht, dass wir ihn heute hier antreffen“, überlegt Marco während der Zug losfährt.

 

Als der Zug in den Wichtel-Bahnhof einfährt, hält Marco immer noch Ausschau nach seinem Lieblingswichtel, denn er hatte sich so auf ihn gefreut. „Ich hätte Wichti so gerne den Ball gezeigt“, sagt er enttäuscht. Nepomuk und Heinzi wechseln einen vielsagenden Blick. „Ihr seid doch gerade erst angekommen. Bestimmt trefft ihr Wichti heute noch!“, versucht Nepomuk ihn zu trösten. „Wo führt der Ball euch denn hin?“, möchte Heinzi wissen. Marco holt den schwarz-gelben Fußball aus seiner Tasche und hält zusätzlich noch drei gelbe Karten in der Hand. „Der Ball bringt uns heute hinter die gelbe Tür“, sagt er. „Da bin ich aber gespannt, was sich dahinter verbirgt“, sagt Lukas. Heinzi und Nepomuk begleiten die drei Geschwister zum hinteren Teil des Bahnhofes, an dem die gelbe Tür sich versteckt. „Dann klopf mal an!“, fordert Ida ihren Bruder auf.

 

Felix klopft an. Er ist wirklich sehr gespannt, was jetzt kommen wird. Da geht die Tür auf – Wichti steht dahinter und lacht über das ganze Gesicht! „Hallo meine Freunde, tretet ein – der Fußball-Tempel darf es heute sein! Hier dreht sich alles rund ums Leder, das wusste im Prinzip schon jeder! Lasst euch vom Fußball inspirieren, ich öffne für euch alle Türen!“ „Das ist ja mal eine tolle Überraschung!“, ruft Marco überglücklich. „Wichti, hier hast du dich also versteckt“, sagt Lukas. „Ich habe doch gesagt, dass ich mir sehr freuen würde, wenn Marco einen Fußball bekommt“ entgegnet der Wichtel. „Dann können wir euch jetzt ruhigen Gewissens im Fußball-Tempel lassen, richtig?“, fragt Heinzi. „Ja, wir sind hier wirklich in den besten Händen“, erwidert Ida. „Bis später!“, rufen die beiden Wichtel noch, bevor sie an die Arbeit gehen.

 

„Der Fußball-Tempel erinnert mich an ein Stadion“, stellt Lukas fest. „So ist es! Hier dreht sich alles um den Fußball und daher hat dieses Haus auch die Form eines Stadions bekommen“, entgegnet Wichti ziemlich stolz. Die vier Freunde gehen auf das Spielfeld. „Wie ihr sehen könnt, ist das Spielfeld der Mittelpunkt des Tempels. Aber unsere Arbeit findet sozusagen auf der Tribüne statt. Dort sind statt Zuschauerrängen viele Räume angeordnet, in denen nach unterschiedlichen Themen gearbeitet wird. Auf der einen Seite werden die Bälle produziert. Es gibt leichte Bälle mit den unterschiedlichsten Motiven – passend zu jedem Kind; dann wünschen sich einige Kinder Stoffbälle, mit denen sie im Haus spielen können; und viele Kinder wünschen sich natürlich Lederbälle! Am liebsten in Farben ihres Lieblingsvereins. Welche Farbe dein Ball hätte, kann ich auch erraten, Marco!“, sagt Wichti augenzwinkernd. Die Kinder lachen auch, denn das Marco absoluter BVB-Fan ist, ist wirklich kein Geheimnis.

 

„Auf der Gegengeraden werden Trikots in den Vereinsfarben hergestellt. Für jeden Verein sind drei Wichtel zuständig. Der erste näht die Trikots zusammen, der zweite färbt es passend ein und der dritte sorgt dafür, dass es den passenden Druck bekommt. Das sind alles sehr wichtige Aufgaben. Stellt euch mal vor, der Spielername wäre vom falschen Verein – oder der Name wäre richtig, aber die Trikotnummer falsch. Die drei Wichtel haben wirklich eine hohe Verantwortung“, sagt Wichti. „Hier könnte ich mich richtig wohl fühlen“, schwärmt Marco. „Zumindest bei den richtigen Vereinsfarben“, fügt Lukas grinsend hinzu.

 

„Und was ist auf den kleineren Rängen untergebracht?“, möchte Ida nun wissen. „Dort werden die unterschiedlichsten Fan-Artikel hergestellt. Es werden von fleißigen Wichtelfrauen zahlreiche Mützen, Schals und Handschuhe in den Vereinsfarben gestrickt“, entgegnet Wichti. „Wow, die haben aber viel zu stricken! Wenn ich sehe wie viele Kinder auf dem Schulhof mit solchen Mützen herum laufen“, sagt Marco bewundernd. „Und was gibt es noch für einen Bereich?“, möchte Lukas nun wissen. „Dort werden zum Beispiel Fußball-Sammelkarten gedruckt, Bettwäschen genäht, Tapeten bemalt und noch vieles mehr“, sagt Wichti stolz. „Ich hätte nie gedacht, dass es so viel Arbeit nur für den Fußball gibt“, entgegnet Ida kopfschüttelnd. „Das Puppenhaus hat ja auch sehr viele unterschiedliche Abteilungen gehabt“, sagt Lukas. „Und überlegt mal, wie viele Kinder Fußball spielen und lieben. Dieser Sport ist ja nach wie vor der beliebteste unter den Kindern. Alle anderen Sportarten teilen sich im Weihnachtsdorf ein Haus – denn da gibt es bei weitem nicht so viele Wünsche, wie beim Fußball“, erzählt Wichti.

Plötzlich ertönt ein lauter Pfiff durch den Fußball-Tempel. Er lässt die Kinder zusammen schrecken, denn mit so einem Ton hatten sie gar nicht gerechnet. „Passt mal auf, was jetzt passiert!“, ruft Wichti voller Vorfreude. Die Kinder sehen sich um und es haben alle Wichtel im Fußball-Tempel ihre Arbeit liegen lassen und schnüren sich nun ihre Fußball-Schuhe. In wenigen Sekunden füllt sich das Spielfeld. Alle Wichtel stellen sich in einer langen Reihe auf. „Was wird das denn jetzt?“, fragt Marco begeistert. „Nach einer Stunde Arbeit wird 15 Minuten Fußball gespielt. Möchtet ihr auch mitspielen?“, fragt Wichti die Kinder. „Sehr gerne!“, rufen die drei wie aus einem Mund. „Dann reiht euch mal ein“, sagt Wichti. Er verteilt an eine Mannschaft gelbe Überzieh-Trikots. Die Kinder und Wichti kommen zusammen in ein Team. „Auf geht’s!“, ruft ein Wichtel mit schwarzem Trikot und pfeift das Spiel an. „Es sind ja drei Bälle auf dem Spielfeld!“, ruft Felix erstaunt. „Ja, bei so vielen Spielern wäre es doch gemein mit einem Ball zu spielen!“, ruft ihm ein kleiner Wichtel zu. So laufen die Kinder gemeinsam mit zahlreichen Wichteln im Fußball-Tempel hinter drei Fußbällen her. Lukas erobert sich einen Ball, passt zu Wichti. Der flankt in den Strafraum und Marco macht mit einem Fallrückzieher ein Traumtor in den rechten Winkel. „Tooooooooooooooooooor!“, ruft Ida begeistert. „Mein großer Bruder hat im Weihnachtsdorf im Team gelb ein Tor für die Wichtel geschossen! Wahnsinn!“ Ein paar mal bekommen die Kinder noch den Ball, aber sie genießen vor allem diese besondere Atmosphäre mit so vielen Wichteln gemeinsam auf dem Fußballfeld zu stehen. Nach 15 Minuten pfeift der Wichtel-Schiedsrichter das Spiel ab. „Es wurden insgesamt 18 Tore geschossen! Herzlichen Glückwunsch!“, sagt er abschließend. Alle Wichtel gehen winkend vom Spielfeld und machen sich wieder an ihre Arbeit. Marco, Lukas, Ida und Wichti bleiben alleine zurück. „Das war das genialste, was ich je erlebt habe!“, ruft Marco überglücklich. „Vor allem, das zum Schluss nur zählt, wie viele Tore insgesamt geschossen worden und nicht wie viel jede einzelne Mannschaft gemacht hat, finde ich super!“, sagt Ida. „Wenn bei uns auch so Fußball gespielt würde, würde ich auch sofort in den Verein gehen“, sagt Lukas noch immer ganz begeistert. „Könnt ihr jetzt verstehen, warum ich mich gestern so gefreut habe, dass ich euch heute in diesem Haus begrüßen darf?“, fragt Wichti lächelnd. „Auf jeden Fall! Das war der allerschönste Tag in meinem Leben!“, sagt Marco begeistert.

 

„Vielen Dank für dieses atemberaubende Erlebnis, Wichti! Das werden wir niemals vergessen!“, sagt Lukas, bevor sie den Fußball-Tempel verlassen. Mit einem Blick zum Café der Begegnung, sehen sie, dass Heinzi und Nepomuk bereits auf sie warten. „Und, wie war es im Fußball-Tempel?“, möchte Heinzi wissen. Mit leuchtenden Augen erzählen die Kinder abwechselnd von diesem besonderen Haus. „Aber das schönste war das Spiel mit den Wichteln“, schließt Lukas die Erzählungen ab. „Ich glaube, im nächsten Jahr werde ich auch mal das Haus wechseln“, sagt Heinzi staunend.

 

„Dann lasst uns jetzt mal nach Hause fahren. Wir haben noch ein wenig Schlaf nachzuholen“, sagt Nepomuk. So machen sich die Kinder heute mit ihren beiden Wichtel-Freunden auf den Weg nach Hause. Im Zug fragt Lukas: „Was wir wohl morgen erleben werden? Jetzt hat jeder von uns gesehen, in welchem Haus sein Herzenswunsch erfüllt wird. Ich bin ehrlich gespannt, wo uns der Adventskalender morgen hinführen wird!“ „Da habe ich noch gar nicht drüber nachgedacht“, sagt Ida. „Aber ganz egal wohin es geht, es wird jeden Tag schöner!“, meint Marco. Mittlerweile ist der Zug in der großen Höhle angekommen und die Freunde steigen aus. Lukas steckt den Schlüssel in das Schlüsselloch neben dem Ende der Rutsche und gemeinsam mit seinen Geschwistern dreht er ihn um. Die helle Sternschnuppe erscheint und fliegt die Kinder die Rutschbahn nach oben an die Erdoberfläche. Neben dem Baumstamm bekommen Marco, Lukas und Ida ihre normale Größe zurück und sehen sich glücklich an. „Was für ein wundervoller Ausflug! Habt ihr Lust auf Fußball spielen?“, fragt Marco. „Aber nur, wenn wir zusammen spielen und die Tore für alle gemeinsam zählen“, entgegnet Lukas. „Dann spiele ich auch gerne mit“, sagt Ida.

Während die Kinder noch im Garten bleiben, um gemeinsam Fußball zu spielen, gehen Heinzi und Nepomuk in ihr Bett, denn sie sind sehr müde. „Eine Frage habe ich noch, Nepomuk: Was wird morgen passieren?“, fragt Heinzi neugierig. „Die Kinder werden einen schönen Tag erleben. Was genau morgen auf uns zu kommt, weiß ich auch noch nicht. Aber wie Marco schon sagte: es wird jeden Tag schöner“, sagt Nepomuk, bevor ihm vor Müdigkeit die Augen zufallen.

 

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