Marco, Lukas und Ida sitzen mit ihren Eltern Laura und Piet am Frühstückstisch. Eine Situation wie an jedem Tag. Aber das kleine Herz bemerkt erneut die hohe Anspannung zwischen der Familie. Jeder scheint auf einen Moment warten zu können, in dem er sich über die anderen aufregen kann. Das kleine Herz hat solche Situationen in den letzten Tagen oft in der Familie gesehen und daher hat es nun eine Bitte an die Fünf. „Ich würde gerne nach dem Frühstück mit euch zusammen in eine gemütliche Runde ins Wohnzimmer gehen“, sagt das kleine Herz. Die Familienmitglieder schauen sich überrascht an. Normalerweise sagt es das kleine Herz immer sofort, wenn es etwas wichtiges zu sagen hat. Aber was zurzeit schon normal? „Kein Problem“, sagt der Vater. „Das Frühstück ist ja bereits beendet und unseren Kaffee können Laura und ich mit ins Wohnzimmer nehmen.“
Als alle auf dem Sofa sitzen, schaut das kleine Herz von einem zum anderen. „Habt ihr eine Idee, warum ich euch einmal in Ruhe sprechen möchte?“, fragt es. „Ich denke, dass es einfach mal wieder Zeit ist, dass wir uns unterhalten“, meint Ida. „Ja, da hast du recht, Ida. Ich habe euch in den letzten Tagen beobachtet und gemerkt, dass sich vieles verändert hat“, entgegnet das kleine Herz. „Wir dürfen uns ja auch seit einer Woche nicht mehr mit unseren Freunden treffen und zum Pokemon Go spielen dürfen Marco und ich auch nicht mehr alleine losziehen, wie sonst“, sagt Lukas. „Genau, wir sitzen jetzt seit einer Woche zu Hause, müssen unsere Schulaufgaben machen und das war’s“, fügt Marco hinzu.
„Genau das ist der Punkt, warum ich mit euch sprechen möchte“, sagt das kleine Herz. „Ihr sitzt jetzt seit einer Woche wegen des schlimmen und gefährlichen Corona-Virus zu Hause. Jeder von euch geht anders mit dieser vorläufigen Isolation um. Jeder von euch macht sich bestimmt Sorgen. Aber ihr habt euch noch nicht einmal zusammen gesetzt, um über eure Ängste zu reden.“ „Da hast du recht, kleines Herz. Piet und ich wollten die Kinder nicht zusätzlich mit unseren Sorgen belasten. Die Situation ist doch so schon schwer genug“, sagt Laura. „Ich habe gar keine Angst vor COVID-19. Ich bin ein Kind. Mich kann es doch gar nicht ernsthaft erwischen!“, fügt Lukas hinzu. Das kleine Herz sieht, wie Laura sich über diesen Satz ärgert. „Was denkst du jetzt, Laura?“, fragt es deswegen. „Ich ärgere mich über diese Einstellung. Vielleicht kann das Virus den Kindern nichts antun. Aber wirklich wissen, tun wir es nicht. Denn es ist eine ganz neue Krankheit, über die man noch nicht viel weiß. Aber selbst, wenn es Kindern nichts antun kann, sind sie dann doch Überträger. Zum Beispiel für meine Mama, die gesundheitlich nicht auf der Höhe und somit ein Risikopatient ist. Ich mache mir Sorgen um meine Liebsten“, erklärt Laura ihre Gefühle. Lukas sieht seine Mutter überrascht an. Das sie so eine Angst vor dem Virus hat, wusste er nicht. „Es tut mir leid, Mama. Es ist meine Art mit der Situation umzugehen. So brauche ich keine Angst vor dem Virus zu haben. Ich wusste nicht, dass du dir solche Sorgen machst“, erklärt er und kuschelt sich zu Laura auf den Schoß.
„Jetzt wisst ihr, warum es so wichtig ist, dass ihr miteinander redet“, sagt das kleine Herz und schaut zu Ida, der bereits Tränen über das Gesicht kullern. „Was ist mit dir, Ida?“, fragt es mitfühlend. „Ich weiß es nicht“, schluchzt Ida. „Ich glaube, ich habe auch Angst, aber ich kann nicht sagen wovor.“ „Was genau geht dir denn gerade durch den Kopf?“, fragt Marco und setzt sich neben seine kleine Schwester. „Ich habe Angst, dass einer von uns stirbt“, schluchzt Ida. Der Rest der Familie schaut sich entsetzt an. Nie hätten sie gedacht, dass Ida an so schlimme Sachen denkt, denn bisher wurde das Thema so noch nicht bei ihnen angesprochen. Piet legt den Arm um Ida und sagt: „Ich glaube nicht, dass einer von uns stirbt, Ida. Wir halten uns ja an die wichtigen Regeln und haben kaum Kontakt zu anderen. Außerdem sind wir viel an der frischen Luft und das ist auch sehr wichtig, um gesund zu bleiben“, tröstet er Ida. Auch Laura nimmt Ida in den Arm. „Ach, meine Süße. Ich bin mir sicher, dass wir alle gut aus der Sache herauskommen. Wir müssen uns nur an die Regeln halten. Vor allem das Händewaschen ist sehr wichtig und das macht ihr ja alle sehr vorbildlich. Es fühlt sich gerade alles sehr komisch an, aber auch das geht irgendwann vorbei“, sagt sie einfühlend zu ihrer Tochter. Ida ist sehr froh über diese tröstenden Worte und kann auch bald schon wieder lächeln.
„Und was beschäftigt dich, Marco?“, fragt Piet. „Hmm, schwer, zu sagen. Es ist so viel. Das Unbekannte, ich weiß nicht, was in der Welt los ist. Es macht mir Angst. Und ich mache mir auch Sorgen um Oma. Sie war letztens noch so krank und deswegen möchte ich sie schützen, indem wir sie nicht besuchen. Aber auch das macht mich traurig, weil sie mir fehlt. Es fühlt sich komisch an, dass wir so viel zu Hause sind, aber niemanden besuchen können. Und die Schulaufgaben fallen mir schwer, weil ich es nicht gewohnt bin zu Hause so viel am Schreibtisch zu sitzen. In der Schule habe ich meine Freunde, die alle die gleichen Aufgaben machen müssen. Hier ist Lukas oft so früh fertig, dass ich es gemein finde, wenn ich noch viel mehr machen muss“, erzählt Marco. „Das kann ich gut verstehen. Es sind so viele Dinge, die wir so nicht gewöhnt sind“, sagt Laura. „Aber ich sehe, dass uns eigentlich dieselben Sachen beschäftigen. Wenn wir mehr miteinander reden, können wir uns gegenseitig mehr Hoffnung machen und uns stärken“, meint Piet.
„Und was beschäftigt dich zurzeit, Papa?“, möchte Ida wissen. „Im Grunde das gleiche wie euch. Ich weiß nicht, wie die nächsten Wochen aussehen. Ich weiß nicht, ob wir alle gesund bleiben werden. Und dann kommt noch hinzu, dass ich nicht weiß, ob wir die ganze Zeit über arbeiten dürfen. Noch sind alle Mitarbeiter gesund. Das ist gut so, denn dann kann uns nichts passieren. Wir arbeiten draußen in Gärten und haben genug Abstand zu den Kunden. Und die Arbeit gibt mir auch Halt, Sicherheit und ein Stück Normalität“, erwidert Piet. „Du kommst immerhin noch raus und hast Abwechslung. Wir sind den ganzen Tag zu Hause. Ja klar, wir dürfen auch in den Garten. Aber mir fehlen meine Freunde. Vor allem Alex und Emil. Sonst habe ich die beiden fast jeden Tag getroffen und jetzt dürfen wir uns gar nicht mehr sehen. Das fehlt mir so sehr! Und auch das Training ist komplett abgesagt. Alles, war mir Spaß macht, wird gestrichen. Aber für die Schule, da muss ich noch Aufgaben machen“, sagt Lukas. „Mir fehlen meine Freundinnen auch“, sagt Ida kleinlaut. „Das geht uns allen so. Ich habe auch meine Treffen mit meinen besten Freundinnen abgesagt. Und Papa geht nicht mehr kegeln und Kartenspielen. Es ist eine schwere Zeit momentan. Aber wenn die vorbei ist, können wir die Freiheit wieder viel mehr schätzen“, meint die Mutter.
Das kleine Herz hat der Familie die ganze Zeit zugehört und ist jetzt sehr zufrieden mit sich. Die Fünf sind während des Gesprächs eng aneinander gerutscht und haben sich in den Arm genommen. Sie sehen viel entspannter aus, als die ganze letzte Woche. „Ich bin sehr froh, dass ihr euch gegenseitig eure Sorgen erzählt habt. Ihr seid alle in der gleichen Situation. Es weiß keiner, was in der nächsten Woche sein wird. Aber im Moment geht es uns allen gut und ihr seid zusammen. Versucht jeden Tag etwas positives zu sehen. Macht etwas gemeinsam … und wenn es nur ein Spaziergang ist. Der ist ja noch erlaubt. Ich denke, dass ihr in diesen Wochen als Familie sehr eng zusammen wachst und das ist eine Erfahrung, die euch keiner nehmen kann“, sagt das kleine Herz. „Du hast recht, kleines Herz. So habe ich das ganze noch gar nicht gesehen. Vielleicht können wir uns ja für jeden Tag eine besondere Kleinigkeit vornehmen“, schlägt Lukas vor. „Ja, so wie in der Adventszeit. Da haben wir doch auch jeden Tag etwas schönes zusammen gemacht“, erinnert sich Marco. „Und dieses Mal haben wir sogar viel mehr Zeit“, fügt Ida hinzu. „Das ist eine schöne Idee“, sagt das kleine Herz lächelnd.
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