Max und die Frösche

„Was für ein herrlicher Tag“, denkt die Schildkröte Max. Er liegt am Gartenteich in der Sonne und freut sich über den fantastischen Ausblick. „Welch ein Glück, dass ich endlich die große Welt kennenlernen darf!“ , freut er sich.

Max ist erst seit gestern in dem Gartenteich seiner Familie – auch wenn er schon viel länger bei ihnen lebt. Bisher war Max zu klein, um in dem Teich zu leben und hat in einem Aquarium im Esszimmer gewohnt. Dort war es auch sehr schön und er wurde oft von den drei Kindern der Familie beobachtet. Aber hier draußen in der großen Welt ist es viel schöner. „Endlich lerne ich die Wärme der Sonnenstrahlen kennen und viele neue Tiere habe ich von weitem auch schon beobachtet“, denkt Max, während er über die Wasserfläche blickt.

 

Plötzlich taucht vor ihm im Wasser ein grünes Tier auf. Max zieht vor Schreck seinen Kopf in den Panzer ein – er traut sich nicht, in den Teich zu springen, denn dort hat er noch kein eigenes Versteck gefunden. Er hört auf das Pochen seines Herzens und zählt langsam bis drei. Sein ganzer Panzer scheint zu zittern und er hat große Angst.

 

Doch dann hört Max ein herzhaftes Lachen und schiebt ganz vorsichtig seinen Kopf wieder hervor. Denn dieses Lachen klingt sehr freundlich und gut gelaunt. Zwei große Augen schauen ihn aus dem Wasser an und ein breiter Mund sorgt für das laute Lachen. Bei dem Anblick muss Max selbst lachen – wie konnte er sich nur vor diesem liebenswerten Wesen erschrecken?

 

„Hallo Neuling! Ich bin Mister Frosch und wollte dich auf gar keinen Fall erschrecken. Es tut mir leid, dass du so eine Angst vor mir hattest“, stellt sich das grüne Tier vor. „Ich muss mich für meine Unhöflichkeit entschuldigen, aber bisher habe ich alleine gelebt. Daher ist es für mich neu, wenn auf einmal so viel Leben um mich herum ist“, entgegnet die Schildkröte. „Kein Problem! Wer bist du denn?“, möchte Mister Frosch wissen. „Ich bin eine Schildkröte und heiße Max. Ich lebe erst seit gestern hier im Gartenteich. Davor habe ich bei den Menschen im Haus gewohnt“, erklärt er weiter. „Wow! In dem großen Haus aus Steinen hast du gewohnt?! Das ist ja der Wahnsinn! Wir Tiere im Teich tauchen meistens unter, wenn die großen Menschen in unsere Nähe kommen. Muss man denn keine Angst vor ihnen haben?“, fragt Mister Frosch weiter. „Im Gegenteil! Sie haben mir täglich Futter gegeben und meine Wasserzone sauber gemacht. Außerdem haben die Kinder meine Nähe gesucht, wenn sie ihre Ruhe haben wollten. Vor allem Justus liebt Tiere. Er war oft bei mir. Ich hoffe, dass er auch jetzt noch zu Besuch kommen wird – jetzt, wo ich im Teich lebe“, sagt Max. „Ganz bestimmt! Die Kinder sind oft bei uns am Teich und suchen unsere Nähe, aber bisher hatten wir immer Angst vor ihnen. Obwohl wir auch neugierig sind, wie sie leben“, gesteht Mister Frosch.

 

„Und was bist du für ein Tier? Lebst du nur im Wasser oder kannst du auch an das Ufer gehen?“, möchte Max nun wissen. „Wie mein Name schon verrät bin ich ein Frosch. Ich bin mit meinen langen Beinen ein sehr guter Schwimmer. Aber um Wärme zu tanken und Insekten zu fangen gehe ich an Land. Ich genieße das Sonnenbaden sehr und liebe es große Sprünge zu machen“, erzählt Mister Frosch glücklich. „Das du gut schwimmen kannst, habe ich schon beobachtet. Das sieht sehr elegant aus! Aber wie machst du denn große Sprünge?“, fragt Max neugierig. „Mit der Kraft meiner Beine kann ich weit hüpfen. Häufig mache ich mit meinen Brüdern Hoch- und Weitsprung. Aber meistens ist Fridolin der Beste von uns. Er übt auch sehr hart an sich. Er möchte auf Dauer den Teich verlassen und weiterziehen. Er sagt, dass dieser Teich noch nicht das Ende der Welt sein kann und daher trainiert er viel, um sich auf eine weite Reise machen zu können“, schwärmt Mister Frosch von seinem großen Bruder.

 

Max hört seinem neuen Freund interessiert zu. „Wie kommt Fridolin darauf, dass der Teich noch nicht das Ende der Welt ist? Hier ist es doch sehr groß und schön. Woher weiß er, was hinter der Hecke ist? War er schon mal dort?“, fragt Max nachdenklich. „Wenn der Wind abends richtig steht, können wir andere Frösche quaken hören. Die Stimmen kommen von weit weg und daher gehen wir davon aus, dass es noch weitere Teiche geben wird. Klar ist dieser Teich groß, aber eben nicht das Ende der Welt … und wahrscheinlich auch nicht der Mittelpunkt der Welt. Ich fühle mich hier sehr wohl und werde hier bleiben, aber Fridolin möchte nun mal mehr sehen. Er war immer schon so neugierig und wollte immer mehr, als alle anderen“, erzählt Mister Frosch. „Da hat dein Bruder aber große Pläne für sich gefunden. Wann möchte er denn los hüpfen?“, fragt Max bewundernd. „Bei den älteren Fröschen fängt bald die Paarungszeit an. Das ist genau der richtige Zeitpunkt, sagt Fridolin. Also wird er in den nächsten Tagen aufbrechen. Er möchte eine Froschdame kennenlernen, mit der er Kaulquappen bekommen möchte – und die gibt es hier nicht, meint Fridolin“, sagt Mister Frosch. „Könntest du mir deinen Bruder noch vorstellen, bevor er auf seine Reise geht?“, fragt Max, der über die Willenskraft dieses Frosches sehr beeindruckt ist. „Komm‘ nach dem Sonnenuntergang zu dem Schilf-Wald dort hinten. Dort treffen wir uns zum Frosch-Hochsprung. Fridolin wird auch dabei sein“, sagt Mister Frosch. „Sehr gerne“, freut sich Max über die Einladung. „Ich werde mir jetzt erst mal ein wenig Essen suchen“, ruft Mister Frosch und taucht ab.

 

Max sucht sich einen anderen Platz in der Sonne. Dabei denkt er über das Gespräch mit seinem neuen Freund nach. „Mister Frosch ist ein nettes Tier. So offen und beeindruckend. Ich bin aber auch schon sehr gespannt auf Fridolin. Er scheint mir sehr sportlich und klug zu sein. Ob er mir etwas über die weite Welt erzählen kann? Ich kenne ja bisher nur das Menschenhaus und daher ist der Teich für mich bereits eine große Welt. Ich habe nie darüber nachgedacht, dass die Welt noch größer sein könnte. Hier ist es doch schön. Aber wenn es in einem anderen Teich andere Frösche gibt – gibt es dann auch andere Schildkröten?“, überlegt Max.

 

Am Nachmittag kommen die drei Kinder nach Hause und gehen direkt zum Gartenteich. Dort liegt Max immer noch in der Sonne. Max freut sich sehr seine Menschen zu sehen und bleibt entspannt liegen. Felix, Justus und Lotta gehen vorsichtig zu ihrer Schildkröte und streicheln ihr liebevoll über den Panzer. Max genießt diese Nähe sehr, denn immerhin sind die Menschen die einzigen Lebewesen, die er bis heute Morgen gekannt hat. Die Kinder geben Max Futter und er isst ihnen aus der Hand. Mister Frosch und Fridolin beobachten diese Szene aus der Ferne und staunen über den Mut von dem neuen Teichbewohner. „Wow, dein neuer Freund hat viel Mut! Er bleibt liegen, obwohl die Menschen viel größer sind, als er selbst. Und die Menschen scheinen sich sehr zu freuen, dass Max ihnen so viel Vertrauen entgegen bringt. Ich bin schon sehr gespannt ihn kennenzulernen!“, staunt Fridolin. Mister Frosch lächelt stolz, dass er der Erste im Teich war, der dieses neue Tier begrüßt hat und ihn als Freund gewonnen hat.

Am Abend verabschieden sich die Kinder von Max und gehen ins Haus. Da die Sonne nun tiefer steht, lässt sich Max in das Wasser gleiten. Er schwimmt ein paar Runden durch den Teich und schaut nach einem schönen Versteck für die kommende Nacht. Er kann es kaum abwarten, dass die Sonne endlich untergeht und er sich mit seinem neuen Freund und den anderen Fröschen treffen wird. So schwimmt die Schildkröte bereits weit vor Sonnenuntergang zu dem Schilf-Wald und richtet sich auf eine längere Wartezeit ein. Aber kaum klettert Max aus dem Wasser, wird er von zahlreichen Fröschen begrüßt, die ihn bewundernd ansehen und ihm sogar zujubeln. Max weiß gar nicht, was er sagen soll. Doch zum Glück hüpft Mister Frosch ihm an die Seite und ruft: „Das ist unser Ehrengast heute! Darf ich vorstellen: Max, die Schildkröte!“ Die Frösche begrüßen Max quakend und er wird ganz verlegen und sagt schüchtern: „Hallo allerseits. Danke für die freundliche Begrüßung. Das fühlt sich richtig gut an!“ Ein durchtrainierter Frosch tritt hervor und alle machen ehrfürchtig Platz. „Hallo Max! Herzlich willkommen in unserem Teich. Ich bin Fridolin. Mister Frosch hat mir schon viel von dir erzählt. Aber das du so viel Mut hast, hat er mir nicht verraten“, sagt Fridolin. „Was habe ich denn gemacht?“, wundert sich Max. „Du bist liegen geblieben, als die Menschen da waren und du hast ihnen sogar aus der Hand gegessen!“, ruft Fridolin. „Die Kinder sind doch meine Freunde. Sie waren immer für mich da und haben mich versorgt. Sie sind sehr nett und ihr braucht keine Angst vor ihnen zu haben“, erklärt Max. „In Wirklichkeit bin ich gar nicht so mutig. Ich schrecke vor jedem Wesen in diesem Teich zurück, egal ob es größer oder kleiner ist, als ich.“ „Es ist ja auch alles neu für dich … Aber jetzt kennst du immerhin schon die Frosch-Familie“, sagt Mister Frosch lächelnd. „Fangt ihr jetzt mit dem Frosch-Hochsprung an?“, fragt Max, um möglichst schnell das Thema zu wechseln. „Da wir heute alle so pünktlich hier sind, können wir starten“, erwidert Fridolin.

 

Max atmet erleichtert auf und sucht sich einen guten Platz, um den Fröschen zuzusehen. Die Frosch-Brüder stellen sich in einer Reihe auf und fangen aus tiefstem Herzen an zu quaken. Das ist so laut, dass Max vor Schreck fast von seinem Platz gefallen wäre. Max schaut zu Mister Frosch, der ebenfalls zu seinem neuen Freund schaut und die beiden müssen laut loslachen. „Du hättest dein Gesicht sehen sollen. Das ist doch nur unser Startlied. Vielleicht hätte ich dich darauf vorbereiten sollen“, erklärt Mister Frosch grinsend. „Schon gut, ich gewöhne mich gerade an alles. Und ihr seid wirklich ein lustiger Haufen Frösche“, entgegnet Max.

 

Schon startet der erste Frosch mit seinem Hochsprung. Max staunt. Er hat noch nie ein Tier so hoch hüpfen sehen. Jeder einzelne Sprung ist um einiges Höher, als die Körpergröße der Tiere. Vor Bewunderung bekommt er seinen Mund kaum zu. Die anderen Frösche zeigen ebenfalls ihr Können und Max ist sehr begeistert von den Athleten. Zuletzt hüpft Fridolin los. Jede einzelne Bewegung sieht so leicht aus, als würde sich eine Feder durch die Luft bewegen. Und der Sprung von Fridolin ist um einiges höher, als die der anderen Frösche – von denen Max bereits so begeistert gewesen ist. Die Frösche quaken vor Begeisterung und Mister Frosch schaut seinen großen Bruder stolz an. Max kann sehr gut verstehen, dass Mister Frosch so von seinem Bruder schwärmt. „Was wäre es doch schön, wenn ich auch Brüder und Schwestern hätte. Ich könnte mich gemeinsam mit ihnen in der Sonne baden und um die Wette schwimmen. Es muss ein tolles Gefühl sein, einer von vielen zu sein. Und nicht ein Einzelner im großen Teich“, denkt Max. „Aber immerhin habe ich richtig gute Freunde gefunden, die mich hier sehr gut aufgenommen haben.“

 

Fridolin merkt, dass Max mit seinen Gedanken ganz woanders ist und hüpft zu der Schildkröte. „Was ist los, Max? Gefällt es dir hier nicht?“, möchte der Frosch wissen. „Doch, es ist wunderschön bei euch. Ich habe mir nur gerade überlegt, wie es wohl wäre, wenn es hier noch mehr Schildkröten geben würde. Wenn ich auch eine Familie hätte, so wie ihr“, erzählt Max. „Du kannst mit mir auf Reise gehen. Ich werde in den nächsten Tagen aufbrechen, um neue Teiche zu finden. Hörst du das Quaken der Frösche hinter der Hecke? Wenn es dort noch mehr Frösche gibt, dann gibt es dort vielleicht auch noch mehr Schildkröten…“, überlegt Fridolin. „Das ist lieb von dir Fridolin. Ich bewundere deinen Mut sehr. Dein Entschluss eine solche Reise anzutreten. Für mich ist dieser Teich aber vorerst groß genug. Ich muss die heimischen Tiere kennenlernen, damit ich mich nicht bei jeder Bewegung erschrecke. Im Wasser bin ich schnell und kann mich gut verstecken. Aber bei einer Wanderung wäre ich viel zu langsam für dich. Ich könnte mich nicht vor Gefahren in Sicherheit bringen. Daher werde ich hier bleiben. Die Menschen sind meine Familie. Sie haben mich groß gezogen, sie füttern mich und sie passen auf mich auf“, erwidert Max. „Schade, ich hätte dich gerne an meiner Seite gehabt. Du bist so mutig. Ich rede zwar immer davon, dass ich endlich hier weg möchte, aber in Wirklichkeit gefällt es mir hier sehr gut. Ich habe hier meine Familie und bin zufrieden. Jeder respektiert mich. Es ist auch für mich ein großer Schritt, den Teich zu verlassen. Vielleicht werde ich es bereuen, aber meine Neugierde ist stärker, als die Angst. Und daher werde ich schon morgen aufbrechen. Ansonsten mache ich einen Rückzieher und werde den Absprung nie schaffen“, gesteht Fridolin. „Du musst dich doch nicht dafür rechtfertigen, dass du Angst vor deiner Reise hast. Hier ist dein zu Hause – so wie mein zu Hause bis gestern das Aquarium im Haus war. Dort kennt man alles und jeden. Jetzt ist der Gartenteich mein neues zu Hause. Ich muss erst die Umgebung kennenlernen und auch die ganzen Teichbewohner. Ich muss lernen, welche Tiere lieb zu mir sind und vor welchen ich Angst haben muss. Genau diese Erfahrungen wirst auch du ab morgen machen. Aber du bist sehr gut durchtrainiert, du weißt viel und du hörst Frösche quaken. Du musst nur dem Ruf der Fröschen folgen. Dann wirst du an dein Ziel kommen. Da bin ich mir ganz sicher!“, muntert Max den Frosch auf. „Danke Max! Diese Worte haben mir sehr gut getan. Und ich verspreche dir, wenn ich in einem anderen Teich Schildkröten treffe, werde ich diese Nachricht so laut quaken, das Mister Frosch es dir sagen kann. Dann kannst du immer noch nach kommen und eine Familie gründen“, verspricht Fridolin. Max hat Tränen der Rührung in den Augen. „Ich bin sehr froh, dass ich dich kennenlernen durfte, Fridolin. Ich wünsche dir eine gute Reise und viel Erfolg auf der Suche nach deinem Glück!“, sagt Max und taucht ab. Er möchte nicht, dass die Frösche sehen, dass er weint. Nachdenklich schwimmt die Schildkröte in das Versteck, das sie am Nachmittag gefunden hat. Dort zieht Max den Kopf und die Beine in den Panzer ein und schläft sofort ein. Was der nächste Tag wohl für Überraschungen bereit hält?

 

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